Production Trends: Virtual Production
Virtual Production
Die Videoproduktion wandelt sich rapide. Eine Fülle von Formaten beherrscht den heutigen digitalen Raum, welche von einer Vielzahl von Endgeräten wiedergegeben werden können. Darüber hinaus hat die Implementierung von Extended Reality Technologien (Augmented Reality, Virtual Reality, Mixed Reality) immersive Inhalte über das Smartphone oder das Tablet Nutzer:innen zugänglich gemacht und auf diese Weise einen Raum für schier unendliche kreative Anwendungen geöffnet.
Das Thema Immersion findet sich seit einigen Jahren auch zunehmend in den Produktionsprozessen von Film- und Video wieder – gemeint ist Virtual Production.
Die Verbindung von state-of-the-art Game Technologie und Film ermöglicht es bereits seit einigen Jahren, Filme in immersiven Studios zu produzieren. Doch nun sei diese Technologie ausgereift und bereit für den Einsatz, berichten Expert:innen. Was Virtual Production ist und welche Auswirkungen sie zukünftig auf die Film- und Videoproduktion – dementsprechend auch auf Brands und ihre Marketingmaßnahmen – haben wird, beleuchten wir im Folgenden näher.
Was ist Virtual Production?
Virtual Production ist ein Sammelbegriff, der viele verschiedene digitale Produktionsprozesse beschreibt. Darunter fallen z.B. AR, VR, Motion Capture oder volumetrisches Video (dazu mehr in Kürze). Was wir seit Neuestem aus Produktionen wie “The Mandalorian” (2020) kennen und was landläufig als Virtual Production bezeichnet wird, beschreibt die Möglichkeit, Filme in einem immersiven Studio zu produzieren. Die gesamte Inszenierung eines Films wird ermöglicht durch die Kombination von Realität – also Schauspieler:innen, realen Objekten, Dekor – und digitalen Kulissen, die in Game Engines in Echtzeit erzeugt werden.
Wie kann man sich ein virtuelles Studio vorstellen?
Im Prinzip besteht so ein virtuelles Studio aus einer LED Fläche, die halbkreisförmig oder elliptisch um das Set verläuft und sich über die Decke erstreckt. Diese Fläche wird mit einer digitalen Kulisse bespielt, z.B. einer Gebirgslandschaft mit darüberliegendem Himmel – die Möglichkeiten der Gestaltung sind, wie zu vermuten ist, unendlich. Es entsteht ein immersiver Raum mit dem die Schauspieler:innen und Crew interagieren können. So kann eine Schauspielerin z.B. auf einen Berg in weiter Entfernung blicken, ohne sich diesen, wie zuvor auf einem Set mit Greenscreen, nur vorzustellen. Darüber hinaus kann in Echtzeit mit der Kulisse experimentiert werden: Landschaften können in Echtzeit verändert oder Farbstimmungen angepasst werden.
Bild: Auf dem Set von “The Mandalorian”. Filmcrew im immersiven Studio von ILM StageCraft, auch “The Volume” genannt.
Dahinter stehen technologische Entwicklungen aus dem Gaming-Bereich, die diesen Produktionsprozess erst möglich machen. Um eine perspektivische Übereinstimmung von Kulisse und Schusswinkel zu erzielen, wird die Kamerabewegung im Raum getrackt. Der Raum wird zuvor volumetrisch vermessen – Volumetrie bezeichnet ein technisches Messverfahren, bei dem ein Raum dreidimensional vermessen wird. Der Computer kann daraufhin alle Elemente vor der Kameralinse tracken und in einer 3D Umgebung platzieren. Die Game Engine rendert daraufhin die 3D Umgebung in Echtzeit – derzeit ist die Engine von Unreal die wohl leistungsstärkste. Auch das von DEPT® und Journee initierte Meta Festival basiert auf der Unreal Engine.
In dem die Kulisse bereits Teil der Produktion wird und nicht erst in der Postproduktion entsteht, wird die Postproduktion gewissermaßen vorgezogen und in die Vorproduktion integriert. Die Postproduktion entfällt teilweise gänzlich, da sowohl der Backdrop für jede Szene existiert, als auch das abstrahlende Licht der LED Fläche die gewünschte Farbwelt bereits erzeugt. Der Greenscreen kann weiterhin stellenweise eingesetzt werden, um bestimmte Effekte zu erzielen. Dieser wird dann einfach ebenfalls über die LED Fläche projiziert.
Eine Auswahl an Filmen, die auf virtuellen Sets entstanden sind: “The Batman” (2022), “The Mandalorian” (2020), “Ripple Effect” (2020), “Lion King” (2019), “First Man” (2018).
Eine weitere Neuerung aus dem Bereich der virtuellen Produktion ist volumetrisches Video oder Volumetric Video.
Was ist Volumetric Video?
Volumetrisches Video wird in einem speziellen volumetrischen Studio produziert und bezeichnet Video, dessen Pixel nicht zwei, sondern drei Raumkoordinaten besitzen – so bekommt es Volumen. In einem volumetrischen Studio werden Kameras so installiert, dass das Objekt aus allen Perspektiven aufgezeichnet wird. Durch dieses Aufnahmeverfahren kann das Objekt später aus jeglicher Perspektive betrachtet werden, ähnlich wie im Gaming, mit dem Unterschied, dass der Darstellungsgrad viel realistischer ausfällt.
Besonders interessant ist diese Technologie für den Einsatz im Metaverse, z.B. für die Erstellung von fotorealistischen Avataren. Ein Film, in dem volumetrisches Video verwendet wurde, ist z.B. “Matrix Resurrections” (2021). Viele Einstellungen aus dem Film sind im Babelsberger Studio Volucap entstanden.
Bild: Das Volucap Studio in Babelsberg.
Volumetrisches Video hat den weiteren Vorteil, dass die Kamerapespektive in der Postproduktion verändert werden kann und nicht wie bisher durch die Kamerabewegung limitiert ist. Besonders interessant wird das für interaktiven Filme, bei denen die Zuschauenden den Raum selbst erkunden können.
Die Möglichkeiten der virtuellen Produktion gewähren Filmschaffenden eine bisher nicht dagewesene Kontrolle über alle Elemente im Bild und bringen große Flexibilität mit sich. Die Filmcrew ist z.B. nicht mehr von lokalen Wetterbedingungen abhängig und kann lange Reisewege zu Drehorten vermeiden. Szenen können im Nachgang repliziert werden, da sich Lichtverhältnisse und Kulisse exakt wiederherstellen lassen.
Virtuelle Produktion hat die Produktionsprozesse darüber hinaus unheimlich beschleunigt. Das spiegelt sich vor allem in den Produktionskosten wider, wodurch virtuelle Produktion immer mehr in das Blickfeld von Produzent:innen rückt.
Was bedeuten diese Entwicklungen für die Zukunft?
Der Übergang zur digitalen Produktion wird das Berufsfeld von Grund auf verändern, man denke z.B. an Produktionsdesigner:innen, die in Zukunft nicht mehr physische sondern digitale Sets bauen. Aus Art Departments werden Virtual Art Departments oder Hybride. Virtuelle Setobjekte werden wiederverwertbar und monetarisierbar, z.B. in Form von NFTs.
Einiges spricht für den Einstieg in die virtuelle Produktion: maximale kreative Kontrolle, Flexibilität, Nachhaltigkeit – der Verzicht auf den Bau von riesigen Sets an Drehorten, den Transport von Filmcrews und die damit verbundene Logistik – und entsprechend niedrigere Kosten.
Wird virtuelle Produktion die herkömmliche Produktion ersetzen? Nicht ganz, denn nicht in jedem Fall macht eine virtuelle Produktion auch Sinn. Es lohnt sich daher, ein Projekt zu Beginn einem Proof-of-concept zu unterziehen, um zu ermitteln, welche Produktionsweise sich am besten eignet. Man darf diese Entwicklung dennoch gespannt verfolgen.
Bei DEPT® stehen Ihnen Expert:innen zur Seite, die Sie über alle Phasen einer Produktion hinweg beraten und betreuen. Weitere Informationen stehen Ihnen auf unserer Production Service Seite zur Verfügung. Wir freuen uns auf den Austausch!