Ein Requiem für das Cookie

Stephanie Joss
Stephanie Joss
Technical Digital Analyst
Length
8 min read
Date
1 April 2021

Mit der Nachricht, dass die New York Times zukünftig auf Drittanbieter-Cookies für Werbekund:innen vollständig verzichtet, wurden die letzten Tage des Cookies eingeläutet – zumindest für Werbezwecke. Die Entscheidung passt in das Gesamtbild, in dem immer mehr Browser, wie beispielsweise Safari, Microsoft Edge, Drittanbieter-Cookies standardmäßig blockieren. Als Reaktion auf die DSGVO und die sich ändernde europäische Datenschutzgesetzgebung zu Behavioral Targeting, wies die New York Times bereits 2018 aber auch darauf hin, dass das Ende des Cookie-Tracking nicht das Ende des Marketings bedeutet.

Wenn Cookies verschwinden heißt das also nicht, dass Online-Werber sich zurücklehnen können. Cookies haben stets spezifische Probleme gelöst und diese Probleme werden nicht einfach so verschwinden – sie müssen fortan anders und vor allem smarter gelöst werden. In einer Post-Cookie-Welt bietet es sich daher an, mit First-Party-Daten, serverseitigem Tagging, Daten-Hubs und kontextbezogener Werbung zu arbeiten.

Um die Herausforderungen angehen zu können, die mit der Abschaltung von Cookies einhergehen, gilt es zu verstehen, welche Probleme sie aktuell noch lösen. Ohne Cookies ist das Internet eine Art Sieb. Keine Information über das Surfverhalten der Nutzer:innen bleibt hängen: keine Warenkörbe, keine Anmeldungen, keine Formulare. Cookies sorgen dafür, dass Browser und Server sich gegenseitig erkennen, auch wenn eine Webseite länger nicht mehr besucht wurde. Cookies werden aber nicht nur von der Website genutzt, die man besucht (First Party), sondern eben auch von den diversen Plattformen (Third Party), die diese Website für Werbezwecke verwenden (z.B. für Banner, einen Like-Button oder gezieltes Retargeting).

99 3 Problems

Wenn Cookies verschwinden, entstehen drei große Probleme für das Online-Marketing:

Remarketing

Ein Großteil aller Remarketing-Maßnahmen basieren auf Cookies. Ohne Cookies verschwindet die Möglichkeit, Benutzer:innen auf anderen Websites und Plattformen anzusprechen. Dadurch entsteht eine noch größere Abhängigkeit von Plattformen wie Facebook und Google, welche Nutzer unabhängig von Cookies identifizieren können.

Analyse und Conversion-Tracking

Ein weiterer Effekt des Blockierens von Drittanbieter-Cookies betrifft Analysetools wie Google Analytics. Abhängig von Ihrer Nutzerschaft (insbesondere der Anteil an Safari-Nutzern) können Ihre Werbekampagnen innerhalb von 24 Stunden “vergessen” werden, wodurch die Wirkung einer Kampagne nur stark erschwert gemessen werden kann.

A/B-Testing und Personalisierung

Alles, was für die Nutzer:innen personalisiert oder angepasst ist und somit im Browser gespeichert wird, ist abhängig von den sich ändernden Datenschutzmaßnahmen der Browser. Das betrifft insbesondere A/B-Tests und Personalisierung, denn personalisierte Inhalte können somit im Browser nicht mehr gespeichert werden.

Das Gute daran

Bevor sich nun die Schweißtropfen auf Ihrer Stirn in eine totale Panikattacke verwandeln, weil Sie Ihr Marketingbudget verbrennen sehen, möchten wir Sie beruhigen und optimistisch stimmen: Es gibt Lösungen. Und zudem werden dadurch auch noch weitere aktuelle Probleme gelöst, wie beispielsweise Ad-Fraud oder Cross-Device-Tracking.

Die folgenden vier Lösungsansätze sollen Ihnen helfen, ihr Marketing auf die Abschaltung von Third-Party-Cookies vorzubereiten:

Kontextbasierte Werbung

Die Idee von kontextbasierter Werbung ist ganz einfach: Ihre Anzeigen sind nicht mit Daten zum Benutzerverhalten verknüpft, sondern mit dem Kontext, in dem sich der/die Nutzer:in befindet. In einem Artikel über Katzenpflege ergibt es zum Beispiel sehr viel Sinn, Werbung für Katzenfutter zu zeigen.

Und das bringt einige Vorteile. Neben dem Schutz der Privatsphäre der Nutzer:innen, schützt dies Ihre Marke auch vor peinlichen Werbeanzeigen im Kontext extremer Inhalte. Sie haben so die Möglichkeit, sich über die tatsächliche Platzierung Ihrer Anzeigen Gedanken zu machen, während Sie sich bisher einfach auf Algorithmen verlassen mussten.

Das motiviert unter anderem die Publisher, geeignete Inhalte besser zu identifizieren. Aber auch Werbende können mithilfe von Data Science und Texterkennung einen Wettbewerbsvorteil erzielen.

Erste Ergebnisse von großangelegten Tests der Umstellung von Cookies auf kontextbasierte Werbung zeigen, dass dies ohne Einbrüche der Werbewirksamkeit passieren kann. In einigen Fällen schnitten kontextbasierte Kampagnen sogar noch besser ab.

Kontextbasierte Anzeigen geben somit sowohl den Werbetreibenden als auch den Publishern mehr Kontrolle zurück. Sollten sich die Ergebnisse langfristig bestätigten, scheint dies eine gute Alternative zu Third-Party-Cookies zu sein.

First-Party-Daten in Drittanbieter-Plattformen

Wahrscheinlich wissen Sie bereits eine Menge über Ihre Kund:innen. Möglicherweise verfügen Sie über eine vorhandene Datenbank mit E-Mail-Adressen, die Sie verwenden können, oder über Mobile-App-Kennungen. Viele der großen Werbeplattformen wie Facebook und Google bieten die Option, diese Daten anstelle von Cookies zu verwenden. Dies ermöglicht es nicht nur die Conversions von bestehenden Kund:innen zu verfolgen, sondern man kann auf Grundlage dieser Daten auch neue, ähnliche Zielgruppen ansprechen. Mit einem Google Ads Data Hub können Nutzerdaten dann innerhalb des Google-Ökosystem auf aggregierte, datenschutzfreundliche Weise genutzt werden.

Natürlich gibt es bei diesem Ansatz eine Reihe von Hürden. So sollten Sie Ihren Kund:innen offen erklären, wie Sie deren Daten in einem Drittkontext verwenden. Es stellt sich auch die Frage, wie abhängig Sie von diesen Plattformen sein wollen und wie viele Daten Sie mit Drittanbietern teilen möchten. So führt die schrittweise Abschaffung von Drittanbieter-Cookies durch Google Chrome gleichzeitig auch zu einer stärkeren Abhängigkeit von Googles eigenen Daten.

Serverseitiges Tagging

Abgesehen von den Medien- und Datenstrategien gibt es auch eine Reihe praktischer, technischer Lösungen, die Ihnen – zumindest kurz- bis mittelfristig – einen Vorteil verschaffen. Zum Beispiel bei der Messung von Conversions, der Schaltung von A / B-Tests und einem sauberen Tracking. Denn für diese Themen gibt es die Möglichkeit Drittanbieter-Tools serverseitig wie First-Party-Tools zu integrieren. Grob vereinfacht werden dabei die Daten, die normalerweise vom Nutzer über den Browser direkt gesendet werden, über Ihren eigenen Server umgeleitet.

Der Vorteil dieses Ansatzes ist, dass die von Ihnen gesetzten Cookies z.B. von Browsern wie Safari bevorzugt behandelt werden und daher länger im Browser Ihres/Ihrer Nutzers/Nutzerin verbleiben. Darüber hinaus wird beispielsweise Ihr Analytics-Tool nicht durch einen Werbeblocker blockiert. Tools wie Segment ermöglichen dies schon seit Jahren und verfügen über ein ganzes Ökosystem zur Verknüpfung von Online- und Offline-Datenquellen. Aber es gibt auch deutlich einfachere Tools wie zum Beispiel Tracedock, die lediglich die Cookies serverseitig platzieren. Selbst Google hat kürzlich angekündigt, dass es an einer serverseitigen Version seines Google Tag Managers arbeitet.

Für viele Unternehmen ist serverseitiges Tagging eine relativ einfache Möglichkeit, weiterhin qualitativ hochwertige Conversion- und Marketing-Analysen durchzuführen. Allerdings wird es dadurch für die Nutzer:innen immer schwieriger, Transparenz über die eigenen Daten zu behalten.

Anreize zur Selbstidentifikation schaffen

Gerade beim Thema der Personalisierung ist es wichtig, dass Sie Ihre Nutzer:innen (wieder-)erkennen können. Wenn dies nicht mehr über Cookies möglich ist, sind auch hier First-Party-Daten die Lösung. Um diese Daten zu erhalten, ist es wichtig, dass die Besucher:innen sich selbst zu erkennen geben. Dies kann beispielsweise durch Herunterladen eines Whitepapers, eines Logins oder einer Identifikation über einen E-Mail-Link geschehen.

Unabhängig davon, welche Methode Sie wählen, überlegen Sie, wie dies die User Experience verbessert. Die obligatorische Anmeldung zum Beispiel an der Kasse des E-Commerce ist ein berüchtigter Konversionskiller. Deutlich eher sind Nutzer:innen aber auch dazu bereit, wenn sie im Gegenzug zum Beispiel kostenlose Versand oder andere Vorteile genießen.

Es ergibt also durchaus Sinn, darüber nachzudenken, welchen Mehrwert Sie auf der Grundlage der Daten, die Sie von den Benutzern erhalten, bieten. Allerdings sind solche Maßnahmen auch immer mit einem gewissen Aufwand verbunden. Selbst wenn Sie bereits ein Login auf Ihrer Plattform verwenden, muss sichergestellt werden, dass diese Daten auch für die Personalisierung zur Verfügung stehen.

Um mit Personalisierung anzufangen, lohnt es, sich zunächst zu überlegen, was genau Sie für wen personalisieren wollen? Über welche Daten verfügen Sie derzeit überhaupt? Welche werden benötigt? Wie können fehlenden Daten erhoben werden?

Wie lautet das Urteil?

Das Verschwinden von Third-Party-Cookies zwingt jeden im Online-Marketing dazu, einmal ganz klar darüber nachzudenken, welche Mittel und Tools ihm zur Verfügung stehen, um seine Ziele zu erreichen. Cookies sind eine einfache Möglichkeit Informationen zu speichern und wurden daher schnell für alle möglichen Zwecke eingesetzt – von der gezielten Werbung bis zur Personalisierung. Aber diese Methode war von Anfang an nie kugelsicher. In diesem Sinne ist es gut, dass wir jetzt nach Alternativen suchen, die nicht nur datenschutzfreundlicher, sondern interessanterweise oft auch genauer und robuster sind.

Sicher ist eigentlich nur, dass man als Online-Marketer nicht einfach in Schockstarre fallen sollte oder gar wegschaut. Beginnen Sie also jetzt mit den ersten Tests zu kontextbasierter Werbung, stellen Sie sicher, dass Ihre CRM-Daten hochwertig sind, untersuchen Sie die Möglichkeiten für serverseitiges Tracking, testen Sie die Anmeldebereitschaft Ihrer Kund:innen und überlegen Sie, welche Daten Sie erfassen und wie Sie Ihre Benutzer:innen darüber informieren wollen. Es wird nicht von heute auf morgen passieren, aber schrittweise können wir uns auf die Zukunft ohne Cookies ausgezeichnet vorbereiten.

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